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Ungefähr
um das Jahr 232 v. Chr. starteten Kapitän Rata und sein
Navigator Maui von Ägypten aus den Versuch einer Erdumsegelung.
Sie gelangten offenbar bis an die Westküste Südamerikas
und strandeten später in Neuguinea. Ich hatte nun die Gelegenheit,
gemeinsam mit meinem Freund, dem Amateurastronomen Bert Cooper,
in der Nacht vom 6. zum 7. August 2001 zwischen 23 Uhr abends
und 3 Uhr morgens einige grundlegende Thesen in diesem Zu- sammenhang
einer genauen Prüfung zu unterziehen. Wir gingen nämlich
von der Vermutung aus, daß Rata und Maui fast auf ihrer
gesamten Reise nicht nur die geographische Breite ihrer Position,
sondern auch - was viel schwieriger ist - die geographische Länge
bestimmen konnten.
Die
sogenannte Maui-Exedition war von dem großen Wissenschaftler
Eratosthenes aus Alexandria, der auch der damalige Leiter der
berühmten alexandrinischen Bibliothek war, inspiriert worden.
Eratosthenes hatte die Hypothese aufgestellt, daß die Erde
keine Scheibe, sondern vielmehr eine Kugel ist. Und er hatte
auch eine geniale Methode gefunden, mit der man die Krümmung
dieser Kugel rechnerisch beweisen und die Größe des
Erdumfangs berechnen konnte. Seine Berechnungen hatten damals
einen Erdumfang von umgerechnet etwa 39 300 km ergeben. Konnte
die Reise von Rata Maui nicht noch einen zusätzlichen Beweis
für Eratosthenes´Hypothese erbracht haben?
Maui
besaß unter seinen Navigationsinstrumenten ein etwas merkwürdig
aussehendes "Meßgerät", welches man "Tanawa" nannte;
später, im Jahre 1492, war dieses Meßgerät unter
dem Namen "Torquetum" bekannt. Ich war auf dieses Gerät
aufmerksam geworden, da es in einigen Höhlenzeichnungen
in Irian Jaya im Westen von Neuguinea abgebildet war, und ich überlegte
mir, daß Maui mit diesem Gerät in der Lage gewesen
sein mußte, sowohl die Schiefe der Ekliptik als auch die
Monddistanz und damit den Längengrad der jeweiligen Position
seines Schiffes zu bestimmen. Und das "Tanawa" muß von
so großer Bedeutung gewesen sein, daß es von jemanden
auf der Wand einer Höhle festgehalten wurde. Diese Zeichnung
trug die folgende, von dem bekannten Forscher Barry Fell entzifferte
Inschrift:
"Die
Erde ist geneigt. Deshalb wachen die Sternbilder der einen Hälfte
Ekliptik über den Süden, die anderen gehen im Aszendenten
auf. Dies ist der Rechner von Maui."
Eratosthenes
hatte kurz zuvor den Erdumfang berechnet, und es ist bekannt,
daß der Umfang einer Kugel auf allen Großkreisen
der gleiche ist. Außerdem wissen wir aus Höhlenzeichnungen
von Maui, daß er sich mit dieser Frage beschäftigt
hat, denn darunter finden sich auch die Rechen- bzw. Meßmethoden
des Eratosthenes. Um nun meine Vermutung nachzuprüfen, gingen
wir daran, ein eigenes Torquetum zu bauen und damit zu versuchen,
die Änderung des Winkelabstandes zwischen Mond und dem Stern
Altair im Sternbild Adler zu messen. Der Erfolg unserer Messung
widerlegte die offizielle Lesart und bewies praktisch, daß Maui
durchaus von Eratosthenes und seinen Mitarbeitern in Alexandria
berechnete astronomische Tafeln auf seiner Reise mitgenommen
haben und durch den Vergleich zwischen den Mondabständen
in den Tafeln und seinen Messungen auf der Reise recht gute Werte
erhalten haben konnte, um die Längenkreise hinlänglich
genau zu bestimmen.
Die
Idee für unser Experiment entstand 1992 auf der Ausstellung
zu 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. Dort
war ein "Torquetum" ausgestellt, leider ohne Beschreibung,
wie es wohl benutzt worden ist bzw. zu welchen Messungen es wichtig
war. Niemand konnte uns eine Auskunft geben, so daß ich
gezwungen war, diese Fragen für eine Weile ruhen zu lassen.
Ich kam erst weiter, als ich in dem Wissenschaftsmagazin 21st
Century Science & Technology einen Artikel über
Ratas und Mauis Reise las, in welchem erwähnt wurde, daß sie
bei ihrer Expedition offensichtlich ein "Torquetum" mitführten,
welches Maui in seinen (durch Barry Fell interpretierten) Höhlenzeichnungen
festhielt. Außerdem hatte Dr. Sentiel Rommel ein solches
Gerät für Fell nachgebaut (siehe 21st Century,
Frühjahr 1999, Seite 77).
Diese
Nachricht weckte erneut mein Interesse. Welchen Zweck hatte dieses "Tanawa" gehabt?
Und warum war die für das Torquetum charakteristische Ebene
genau 23,5 Grad geneigt? Das konnte nur bedeuten, daß Maui
die Ekliptik beobachtet hat und ebenso den Mond und die Planeten,
die sogenannten "Wandelsterne". Von den beiden heute
noch existierenden Torqueta gehörte eines Nikolaus von Kues,
das andere Regiomontan, die beide ganz besonders an der damaligen
Kalenderreform beteiligt waren, z. B. auch an den Diskussionen
darüber, wann genau der Zeitpunkt für das Osterfest
festzulegen ist und ähnliche Fragen.
Aber
was wollte Maui mit dem "Tanawa"? Hat er womöglich
Längengradmessungen vorgenommen? Das ist ein unerhörter
Gedanke, wenn man bedenkt, wie kompliziert eine genaue Längengradmessung
ist. Um die Dinge aber aus den Bereich der Spekulation herauszuholen,
gab es keinen anderen Weg, als selber ein Torquetum zu bauen.
Nur so konnte ich selber nachprüfen, ob es mit Hilfe eines
Eigenbaus überhaupt möglich wäre, aus Messungen
des Mondes und einiger Fixsterne den Längengrad zu bestimmen.
Wenn mir das gelänge, dann muß Maui es ebenso geschafft
haben können.
Die
Längengradmessung ist, wie schon erwähnt, eine äußerst
schwierige Angelegenheit. Man kann nicht einfach den Polarstern
anpeilen, wie es vereinfacht zur Bestimmung des Breitengrades
genügt. Nach heutigen Lehrbüchern muß man dazu
zumindest ein Zeitmeßgerät oder einen speziellen,
mit einem Fernrohr verbundenen Sextanten zur Verfügung haben,
wenn man sich z.B. auf hoher See befindet. Vor dem 18. Jahrhundert
gab es solche Meßmethoden noch nicht.
Warum
den Mond messen?
Der
Längengrad kann nicht durch bloße Bestimmung von Sternenpositionen
ermittelt werden, weil die Fixsterne in bezug auf die Erde lediglich
eine scheinbare Bewegung ausführen. So wird jeder Stern,
der um 20 Uhr Lokalzeit von Ferrara, Paris oder Kairo aus beobachtet
wird, den gleichen Azimut haben, wie wenn er um jeweils 20 Uhr
Lokalzeit von Washington, D.C., Chicago, Seattle oder irgendwo
sonst beobachtet würde. Der Mond hingegen führt gegenüber
der Erdbewegung eine eigene Bewegung aus, und zwar in entgegengesetzter
Richtung. Mit Hilfe der Sterne als Bezugsystem erhält man
auf diese Weise eine Art "Uhr". in den knapp 30 Tagen
seines Umlaufes um die Erde legt der Mond am Himmel relativ zu
den Fixsternen 360 Grad zurück. Das heißt, er bewegt
sich 12 Grad am Tage oder 0,5 Grad pro Stunde relativ zum Fixsternhimmel.
Während die Erdrotation also eine scheinbare Drehung des
gesamten Himmels von Osten nach Westen (um 360 Grad in 24 Stunden,
also 15 Grad pro Stunde) erzeugt, kämpft der Mond dagegen
mit einer eignen echten Gegenbewegung von 0,5 Grad pro Stunde
in umgekehrter Richtung an. Die resultierende scheinbare Bewegung
Richtung Westen beträgt dann beim Mond nur 14,5 Grad pro
Tag.
Für
einen festen Beobachtungsort können nun Tabellen angefertigt
werden, die den Winkelabstand des Mondes relativ zu einem Bezugsstern
in einer beliebigen Nacht angeben, und zwar jeweils zu dem Zeitpunkt,
an dem sich der Stern in einer bestimmten Position am Himmel
(etwa auf dem Nord-Süd-Meridian) befindet. Wenn ein Schiff
nun von einem Hafen aus nach Westen segelt und dabei beispielsweise
15 Längengrade (entspricht der Erddrehung in einer Stunde)
zurücklegt, so erschiene der Mond 0,5 Grad weiter östlich,
als die für den Ausgangshafen gültige Tabelle anzeigt.
Das
alles ist nicht so ungewöhnlich, daß Maui es nicht
auch schon gewußt haben konnte. Die einzige Frage, welche
man berechtigterweise stellen könnte, wäre, ob sein
Meßinstrument in der Lage war, einen so kleinen Unterschied
von 0,5 Grad zu messen.
Meine
eigenen Messungen haben gezeigt, daß solch ein einfaches
Gerät wie ein Torquetum durchaus dazu in der Lage ist. In
der Zeit, in welcher der Stern Altair 41,8 Grad westlich zurückgelegt
hatte (entspricht 2,78 Stunden), wanderte der Mond nur 40,25
Grad weiter, eine Differenz von 1,55 Grad. Da der Mond eine Gegenbewegung
von 0,5 Grad pro Stunde hat, ergäbe dies einen Unterschied
von 1,39 Grad. Dieser Fehler von ca. 1/6 Grad liegt in der akzeptablen
Fehlergrenze unseres Instruments, welches nur auf ein 1/4 Grad
genau sein kann.
Richard
Sanders
(Weitere
Fotos des Torquetums und eine ausführliche englische Beschreibung
der Messungen siehe auch: The
Torquetum
Assembly
of a primitive torquetum, Torquetum des
Dr. Franciscus de Padoanis (Sammlung, Antike), astronomische
Instrumente.
Wer
war Eratosthenes?
Wie Eratosthenes die Erde vermessen hat
Die Erde zu vermessen ist ein Kinderspiel
Eratosthenes
errechnet Erdumfang
Eratosthenes
284 v.Chr.-200 v. Chr.
Quelle: Fusion Heft
4 2001, von dest by jadu 2002
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